Abmahnung-Anwalt-Mahnung

In den Fängen des Abmahn-Anwalts

Nicht erst seit es die Europäische Datenschutz-Grundverordnung gibt, verdienen sich auf Abmahnungen spezialisierte Rechtsanwälte eine goldene Nase. Sie verschicken an private und gewerbliche Betreiber von Internet-Seiten kostenpflichtige Abmahnungen. Dieser „Markt“ ist fest in der Hand einiger großer Abmahn-Kanzleien, und nicht immer geht dort alles mit rechten Dingen zu. Zugegeben, die Mehrzahl der Abmahnungen ist berechtigt. Filesharing urheberrechtlich geschützter Musik und Filme ist keine Grauzone, sondern illegal. Und auch der Versuchung, sich eigene Arbeit per copy & paste (Kopieren und Einfügen) zu ersparen, sollte man widerstehen. Wenn aber Mitarbeiter der Kanzlei gezielt auf die Suche nach minimalen Verstößen und Flüchtigkeitsfehlern gehen, laufen Recht und Gerechtigkeit auseinander. „Ich verschicke meine Ware versichert“, schrieb die Betreiberin eines kleinen Online-Shops – und erhielt eine Abmahnung, weil es wettbewerbswidrig sei, mit Selbstverständlichkeiten zu werben. Kostenpunkt: zunächst „nur“ 232 Euro. Als sie dann aber bei zwei von 150 Produkten im Shop die beanstandete Formulierung versehentlich nicht gelöscht hatte, forderte der Anwalt die in der Unterlassungserklärung vereinbarte Vertragsstrafe von 3.000 Euro ein.

Aktiver und passiver Rechtsschutz

Zwei Versicherungssparten kommen grundsätzlich in Betracht, wenn es um Abmahnungen wegen Online-Verstößen geht: Die Haftpflichtversicherung und die Rechtsschutzversicherung. Allen Versicherungen ist gemeinsam, dass man sie nicht abschließen kann für Schäden, die bereits eingetreten sind. Bei Rechtsschutzversicherungen gibt es sogar eine Wartezeit, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, die aber nur für ausgewählte Rechtsgebiete gelten. Das Online-Recht gehört nicht dazu. Die Versicherungsexperten von 9Brands erläutern die Abgrenzung zwischen Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung: Die Haftpflichtversicherung kümmert sich um Forderungen Dritter, wenn der Versicherungsnehmer auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Behauptet beispielsweise jemand, die Veröffentlichung seines Fotos sei ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht, und fordert deswegen ein Schmerzensgeld, ist das ein Fall für die Haftpflichtversicherung. Sie umfasst nicht nur die Geldzahlung für berechtigte Forderungen, sondern auch die Abwehr in der Sache oder in der Höhe unbegründeter Ansprüche auf Kosten des Versicherers. Das nennt man passiven Rechtsschutz. Im Gegensatz dazu ist die Rechtsschutzversicherung für die aktive Rechtsverfolgung zuständig, also beispielsweise, wenn ein anderer Internet-Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material des Versicherungsnehmers auf seiner Webseite ohne Erlaubnis verwendet.

Versicherungen passen sich an

Im Vergleich zu älteren Policen hat sich einiges verändert im Hinblick auf Online-Recht. Eine normale Privathaftpflicht enthält heute meist auch explizit eine Deckung für Schäden durch Datenaustausch im Internet. Neben Urheberrechtsverstößen umfasst das Schäden durch bösartige Software, zum Beispiel weil Sie eine Datei weitergeben, die – von Ihnen unbemerkt – einen Virus enthält und dieser die Festplatte eines fremden Computers löscht. Versichert sind Sachschäden, etwa an der Hardware, und Vermögensschäden, das sind Kosten für die Wiederherstellung von Daten oder durch widerrechtlichen Zugriff auf Bankkonten und Kreditkarten. Da hier erhebliche Schäden drohen, sollte die Deckungssumme nicht zu gering gewählt sein. Die Haftpflichtversicherung kümmert sich aber nur um zivilrechtliche Schadensersatzansprüche. Abmahngebühren und Vertragsstrafen fallen nicht darunter. Außerdem sind Vorsatztaten nicht versichert. Wer also wegen illegal kopierter Filme auf Schadensersatz verklagt wird, kann nicht auf Hilfe seiner Haftpflichtversicherung zählen.

Leistungen aus der Rechtsschutzversicherung

Ein versicherter Rechtsschutzfall entsteht, wie oben beschrieben, hauptsächlich wegen der Durchsetzung Ihrer eigenen Rechte, also wenn Sie selbst Opfer von Datenschutz- oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen geworden sind. Die Versicherer haben aber den zusätzlichen Versicherungsbedarf erkannt und bieten besondere Bausteine für das Online-Recht an. Darin ist auch das Rechtsgebiet Urheberrecht enthalten, das früher standardmäßig ausgeschlossen war. Allerdings ist der Schutz nicht umfassend. Die Abmahngebühr selbst übernimmt der Rechtsschutzversicherer nicht. Er zahlt aber – meist mit einer Entschädigungsgrenze – für eine anwaltliche Erstberatung, wenn es sich um einen versehentlichen Verstoß handelt. Wissentliche Verstöße bleiben ausgeschlossen. Das gilt übrigens auch für umfassende Firmen-Rechtsschutzversicherungen. Sie decken zwar nicht nur die Beratung, sondern auch das Prozessrisiko, sind aber erstens teuer und haben zweitens in der Regel eine Selbstbeteiligung, die höher ist als die üblichen Abmahnkosten. Solche Policen sind interessant für IT-Dienstleister und Unternehmen der Marketing-Branche. Wer seine Webseite von diesen Firmen erstellen lässt, kann bei Fehlern Schadensersatz verlangen. Selbst erstellte Seiten lassen Sie von einem Juristen oder zum Beispiel über einen Händlerverbund prüfen. Das kostet nicht viel, und Sie werden auf Verstöße aufmerksam gemacht, für die keine Versicherung aufkommt.

Dieser Beitrag stammt von Kevin Schmitz. ebookprofis.com

Alexander Kouba
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